Abseits. Liebeserklärung an eine Landschaft by Günter de Bruyn

Abseits. Liebeserklärung an eine Landschaft by Günter de Bruyn

Autor:Günter de Bruyn [de Bruyn, Günter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104032696
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2014-08-18T16:00:00+00:00


Von Ämtern und Bauern

Die Mehrzahl der auf dem Plateau gelegenen Dörfer gehörten vor der Bauernbefreiung nicht zu den Rittersitzen, sie waren Amtsdörfer, deren Einwohner nicht von einem Gutsbesitzer abhängig waren, sondern von einer höheren Herrschaft, die sich durch eine Behörde, das Amt also, vertreten ließ. Im Mittelalter, als das Beeskow-Storkower Land noch zur Niederlausitz gehörte, waren das nacheinander die reichbegüterten Herren von Strehle und von Biberstein gewesen (an die im Beeskower Wappen noch die drei Sensenklingen, für die Strehles, und die fünfendige Hirschstange, für die Bibersteins, erinnern), dann unter anderen auch sächsische Herrscher, der Bischof von Lebus (der zeitweilig auch in Beeskow residierte), der Markgraf Johann von Küstrin (der über die Neumark herrschte) und schließlich, um die Mitte des 16. Jahrhunderts, der Kurfürst von Brandenburg, der die etwa zwanzig Dörfer, zu denen auch mein Görsdorf gehörte, vom Amt Beeskow verwalten ließ. Später, im 18. Jahrhundert, als die Kurfürsten von Brandenburg Könige von Preußen geworden waren, nannte man die Besitzungen des Landesherrn Domänen. Altes Amt heißt noch bis heute das stattlichste Gebäude der Beeskower Burg.

Die Bauern der Amtsdörfer waren nicht weniger unfrei als die der adligen Dörfer. Sie waren an den Boden gebunden, den sie bearbeiteten, der ihnen aber nicht gehörte, hatten Dienste zu tun und Abgaben zu leisten, waren damit aber nicht einem Gutsherrn, sondern dem Kurfürsten, später dem König verpflichtet, und da dieser mit den Domäneneinkünften auch die Landesverwaltung und das Heer finanzierte, dienten sie, wenn sie dem Amt in Beeskow dienten, eigentlich dem Staat.

Auf den Domänen wurden im Preußen des 18. Jahrhunderts oft eher als auf den adligen Gütern die Rechts- und Lebensverhältnisse der Bauern, wenn auch nur in geringem Maße, verbessert und ihre Selbständigkeit schon vor der allgemeinen Bauernbefreiung im Jahre 1810 gestärkt. So wurde zum Beispiel das Görsdorfer Gut, das sich nach dem Dreißigjährigen Krieg durch Zusammenlegung des wüst gewordenen mittelalterlichen Schulzengutes mit anderen im Kriege herrenlos gewordenen Bauernhöfen gebildet hatte, als Amtsvorwerk schon 1765 in Erbpacht gegeben, was eine Vorform privaten Eigentums war.

Weitgehend mißachtet wurden die Amtsdörfer verständlicherweise von den Historikern und Heimatforschern, und auch Theodor Fontane nahm in seinen »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« von ihnen so gut wie gar nicht Notiz. Historisch Interessantes war hauptsächlich bei den Familien des Adels zu finden. Sie stellten nicht nur dem Staat die Offiziere und die höheren Beamten, sie waren auch in den Landkreisen tonangebend, hinterließen in Familiengeschichten, Memoiren und Anekdoten Erzählenswertes, und ihre Landsitze waren in jedem Fall gesellschaftliche, oft auch kulturelle Zentren, die irgendwie, und sei es durch Heiraten oder Liebschaften, auch immer mit der großen Politik zusammenhingen. Sie, die Edelleute, bauten ihre edlen, architektonisch wertvollen Häuser, wirkten, indem sie sie mit Kunstwerken ausstatteten, als Mäzene, bewahrten, konservativ, wie sie waren, kulturelle Traditionen – und konnten das nur durch ihr Privilegiertsein leisten, das uns heute, da wir auf Gleichheit aus sind und die Toleranz so weit treiben, daß wir, in der bildenden Kunst zum Beispiel, Scharlatanerie und Dummheit meinen ernst nehmen zu müssen, die Anschauungen und Werte vergangener Zeit aber moralisch aburteilen, als Unrecht erscheint.



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